Illia Kotliarov

Maria Stuart - Schöne Seele

17. Juni 2025

«Maria Stuart», eines der bekanntesten Dramen der deutschen Literatur, wurde von Friedrich Schiller geschrieben. Dieses Drama behandelt Themen wie Macht, Herrschaft, Gerechtigkeit, Wirkung auf Männer und Schuld. Wir haben das Drama in Rahmen des Deutschunterrichts gelesen und zu den Themen Gedanken gemacht und besprochen.  Ein Teil unserer Besprechung umfasste das Thema der Pflicht und Neigung der beiden Königinnen.

Pflicht und Neigung – Schöne Seele

Der Friedrich Schiller ist der Meinung, dass jeder Mensch immer zwei Seiten hat, die Pflicht und die Neigung. Diese Seiten streiten sich miteinander, am besten müssen diese Seiten in einem Gelichgewicht sein, wie Yin und Yang, erst dann ist der Mensch eine «schöne Seele». Eine schöne Seele tut das Richtige nicht aus Zwang, sondern aus eigener Überzeugung.
Alle Figuren seiner Werke haben diese zwei Seiten, und zwar werden diese Seiten in einem gezielten Verhältnis gewählt. Dieses gezielte Verhältnis kann sich während der Handlung verändern. Das ist auch bei Maria Stuart der Fall.
Das Drama beginnt mit einem Gewicht auf der Neigungsseite. Ihre Neigungsseite zeigt sich durch ihre menschliche Seite: ihre Sehnsucht nach Freiheit und ihre Hoffnung auf persönliche Erlösung. Besonders deutlich wird dies in der Szene mit Leicester, wo sie trotz politischer Lage Emotionen zeigt und sich in Leicester verliebt und auf eine politische Wendung durch Leicester hofft. In diesen Momenten ist Maria mehr Mensch als Königin, sie folgt ihrer inneren Stimme, ihren Gefühlen und Bedürfnissen. Auf ihrer Pflichtseite muss Maria sich mit ihrer Hinrichtung auseinandersetzen und die Rolle der Thronprätendentin annehmen. Im Verlauf erkennt sie, dass ihre Wünsche nicht erfüllbar sind. Der Einfluss von Pflicht nimmt zu. Besonders in dem letzten Akt verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung der Pflicht. Maria erkennt die Konsequenzen der Thronprätendentin und akzeptiert freiwillig ihr Schicksal. Sie geht würdevoll in den Tod. Maria entwickelt sich zu einer schönen Seele.

Ist das Ideal der schöner Seele heute noch realistisch?

Schillers Ideal der «schönen Seele» beschreibt einen Menschen, der Pflicht und Neigung in ein Gelichgewicht bringt, also das Richtige aus eigener innerer Überzeugung tut, und nicht aus Zwang. Nur dann kann sich ein Mensch gut fühlen und ein erfülltes Leben führen. Doch kann dieses Ideal in der heutigen Welt noch erreicht werden?

In der Realität erleben wir oft, wie stark Pflicht und Neigung im Widerspruch stehen. Denn die Entscheidungen erfordern ein Opfer auf einer Seite, was das Gelichgewicht zerstört. Ein Beispiel für einen Konflikt wäre die Karriere und die Familie. Viele Menschen müssen einerseits beruflich erfolgreich sein (Pflicht), aber andererseits mehr Zeit mit ihren Liebsten verbringen (Neigung). Man opfert die Zeit, die für die Familie genutzt werden könnte, um sich weiterzubilden oder sich weiterzuentwickeln.

Zusätzlich kommt, dass Emotionen nicht einfach steuerbar sind. Die Gefühle entstehen spontan und lassen sich nicht durch die Vernunft in gewünschte Richtung steuern. Man kann sich nicht immer «gut» fühlen, wenn man aus Pflicht tut. Manchmal überwindet man sich oder man tut Dinge, die gegen das eigene Gefühl stehen. In einigen Situationen ist das Gleichgewicht zwischen dem Herz und Verstand eine Ausnahme und nicht eine Regel.

Ausserdem wirken in unserer Gesellschaft viele äussere Zwänge. Menschen handeln aus wirtschaftlichem oder sozialem Druck, und nicht aus freier Überzeugung. Echte Handelsfreiheit braucht Sicherheit und Selbstbestimmung, das nicht allen zur Verfügung steht. Gruppendruck ist ein Beispiel dafür: Wenn sich eine Gruppe gegen eine bestimmte Person richtet, erwartet sie oft, dass alle mitmachen. Manche Personen stehen dann vor einem Dilemma: Soll man mitmachen (Pflicht gegenüber der Gruppe), oder folgt man seinen Überzeugungen (Neigung) und riskiert selbst zu einem Aussenseiter zu werden. Solche Situationen erschweren freies Handeln stark.